Was bedeutet "Rechte Anstrengung"?

Q1: Hallo Muho. Danke für die Zugänglichkeit.. Eine Frage, die mich beschäftigt: Für mich spielen angeborene, biochemische Prozesse, die scheinbar im Organismus verankert sind, eine Rolle und darüberhinaus die Frage, ob mir diese Instinkte, die ja auch auf Vergleiche, Beurteilungen und Analyse, in Teilen auch Gier basieren, meine „Sicht“ zu sehr vernebelt.. Ich versuche diese Frage loszulassen, doch dadurch wichtet sie immer mehr.. Mein Verstand krallt sich daran fest, obgleich Verstand doch wiederum auch „Ego“ ist, den es ebenso freizulassen gilt.. Etwas verzwickt 😀.. Vllt hast du einen Rat, in dieser Richtung mehr Erkenntnis zu erlangen..

Kurze Antwort: Ob klare oder vernebelte Sicht, alles ist Biochemie! Die Frage ist, was machst Du daraus?

Q2: Lieber Muho, nach längerer Zeit habe ich wieder Janwillem van de Vetering und seine Erfahrungen im Zenkloster gelesen, und dann kam noch das Video Nr. 254 (Wie sieht die Praxis nach der Erleuchtung aus?). Jetzt stelle ich mir die Frage: Sind Erleuchtung und Erwachen vielleicht auch nur eine Illusion? So wie viele andere Personen Erleuchtungen/Eingebungen unter anderen Bedingungen auch hatten? Den einen erscheint leibhaftig die Jungfrau Maria, den anderen erscheint der heilige Geist, andere wiederum mit Nahtod-Erfahrungen erzählen von einem „Licht am Ende des Tunnels“. Ein Bergsteiger unter Sauerstoffmangel halluziniert. Und alle sind davon überzeugt, diese „Erscheinungen“ wirklich „erlebt“ zu haben und sind von deren Wahrhaftigkeit/Wahrheit überzeugt. Dann kommt die Neurobiologie und sagt, dass das Reaktionen des Gehirns auf Stress und außergewöhnliche Belastungen sind... Wenn ich dann nach Kant den Mut habe, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen (oder nach Horaz: Sapere aude) komme ich zu der Schlußfolgerung, dass auch das sog. Satori oder Kensho vielleicht (!) eine Illusion sind. Was ist ein Glaube, ein Dafürhalten, und was ist die Wahrheit/Wahrhaftigkeit? Mit dem Ziel die Erleuchtung zu erlangen, begeben sich die Suchenden in tagelange Sesshins mit Schlafmangel, trinken literweise grünen Tee zum Doping, leiden unter Nahrungsmangel und unterwerfen sich einem strengen Procedere, um der Wahrheit näher zu kommen. Überspitzt gesagt würde ich sagen, dass das ein Bootcamp für Spirituelle ist. Andere wiederum begeben sich in ein langes Retreat unter Deprivation aller Sinne. Ist das nicht auch alles eine forcierte Manipulation des Gehirns, um das Satori zu erlangen? (Andere suchen die schnelle Lösung über Drogen.) Oder überspitzt gesagt, um "ver-rückt" zu werden? Da du als Mönch und Abt den einen oder anderen Weg kennst, magst du mich vielleicht in meiner Meinung korrigieren können oder deine Ansicht dazu äußern?

Kurze Antwort: Ist Satori eine Illusion? Genau das habe ich doch die ganze Zeit schon gesagt!

Q3: Vielen Dank für Deine Erörterungen! Mir fällt dazu eine Aufforderung des achtfachen Pfades ein: rechte Anstrengung. Was ist damit gemeint? Ich beobachte mich: eine Anstrengung kann mich stärker machen, sie kann aber auch zersetzend sein. Ich bin einmal mehrere Jahre bei einer Arbeitsstelle mit sehr schlechter Arbeitsatmosphäre geblieben und dachte, ich muss das hinkriegen. Schließlich bin ich gegangen weil ich, wie eine Pflanze am falschen Ort, ganz kaputt war und - nach Ausschöpfung aller selbstkritischen Reflektionen, nicht gedeihen konnte. Die rechte Anstrengung bestand wohl in der Abgrenzung. Trotzdem viel gelernt, was ich nur so lernen konnte. Oder bei Übungen - gleich beim innerlichen Jammern, wenn Dehnübungen schwerfallen - rechte Anstrengung, akzeptieren was (nicht) geht und halt dranbleiben. Ich denke in anstrengenden Situationen oft: "Rechte Anstrengung" - wie ein Rätsel, das hilft etwas. Vielleicht hast Du auch darüber schon gesprochen oder geschrieben und ich hab's verpasst - meine Frage ist: was bedeutet "Rechte Anstrengung" aus buddhistischer Sicht? Wie hat Der Buddha das gemeint.

Kurze Antwort: https://youtu.be/PYmBIkkYQE0?t=605

Mehr Morgen!

Q4: Ein Gedanke zum "Hier und Jetzt": Ich höre von Praktizierenden immer wieder, dass man während des Zazens den in Zukunft und Vergangenheit, sowie an diversen anderen Orten frei flottierenden Geist zurück in den Körper und die Atmung holen soll. Ist es nun aber nicht so, dass jedes Denken über Vergangenheit und Zukunft, bzw. jede Vorstellung von anderen Orten überhaupt nur im gegenwärtigen Moment stattfinden kann und somit Teil der Präsenz im "Hier und Jetzt" ist, "in der Zeit ohne Maß und Zahl und immer am gleichen Ort" ?

https://de.wiktionary.org/wiki/flottieren

Um ein ähnliche Thematik ging es schon in diesem Video: (290) Lässt Du die Gedanken zu oder lässt Du Dich von ihnen in Besitz nehmen? https://youtu.be/xPnomiN-mR0

Q5: Ich stelle mir dir Frage, inwiefern die extrem komplexen Fragestellungen die hier diskutiert werden nicht komplett an den Grundzügen des Zen vorbeigehen - Gedanken über Gedanken.

(020) Gedanken beim Zazen - ein Misserfolg? https://youtu.be/cc5v9IcZipk