Lehrer gesucht... - reicht auch ein Buddha auf der Kommode?

Frage: "Hi Muhô, ich habe diese Email aus der "Kanalinfo" bei YouTube. Hoffe, dass Dich das auch erreicht...? Erstmal vielen Dank für Deinen Blog, Deinen Kanal, Deine Bücher und natürlich vielen Dank für Muhô... Manchmal frage ich mich, was es ist, das mich dazu bringt Dir auf Youtube zuzuhören. Glaube nicht, dass es am Toaster oder Bügelbrett liegt..., oder doch? Ich praktiziere schon länger (alleine) und immer wieder lese oder höre ich, dass man (eigentlich) einen Meister bzw. Lehrer bräuchte. Was ist damit gemeint? Was ist Deine Meinung? Muß/Sollte es tatsächlich ein "Mensch" sein, den man regelmäßig aufsucht? Oder ist ein Lehrer nicht vielleicht auch einfach nur ein Buch, eine Katze, die Meditationsecke, eine Tasse die runterfällt, ein Buddha auf der Kommode, der Spaziergang im Wald oder Du, wenn ich Dir zuhöre? Reichen diese Dinge und Momente nicht einfach aus? Johannes Tauler schreibt: "... Da kommen einige und reden von so großen, geistigen, überwesentlichen, überförmlichen Dingen, gerade als wären sie über die Himmel geflogen. Und dabei kamen sie noch nie einen Schritt aus sich selber durch die Erkenntnis des eigenen Nichts."

Demnach muß ich es alleine aushalten "... dann wird es zuletzt leicht und lustvoll."

Ich denke das interessiert nicht nur mich und wäre vielleicht mal was für YouTube - sollten Dir die Themen ausgehen."

Zitat aus "Futter für Pferd und Esel":

"Bei der Übung des Weges hängt alles davon ab, ob der Meister authentisch ist oder nicht. Der Schüler ist das Holz, der Meister ist der Handwerker. Selbst wenn das Material gut ist, wird seine Schönheit nicht offenbar werden, solange es nicht an den richtigen Handwerker gerät. Dagegen werden selbst in einem krummen Balken sogleich wunderbare Züge erscheinen, wenn er in die richtigen Hände gelangt. Die Echtheit des Erwachens hängt davon ab, ob der Meister echt ist oder nicht."

(schreibt Dogen im Gakudoyojinshu (https://antaiji.org/archives/deu/gak5.shtml))

Alles hängt vom Meister ab, so wie die Verantwortung für den Bau eines Hauses beim Handwerker liegt, nicht beim Holz. Das ist eine wichtige Lehre für jeden Meister, der über seine Schüler klagt. Wenn diese Lehre auf die falschen Ohren trifft, birgt sie aber das Risiko für den Schüler, die Verantwortung für die eigene Praxis auf den Meister zu schieben. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mich selbst nach ein paar Jahren, nachdem ich in Antaiji zum Mönch ordiniert wurde, fragte: „Ich bin jetzt schon so lange hier, und die Erleuchtung ist weit und breit nicht in Sicht. Bin ich vielleicht an den falschen Meister geraten? Wenn ich nicht bald umsattle, werde ich ein ganzes Jahrzehnt vergeblich hier im Kloster verbringen!“

Das Verhältnis zwischen Meister und Schüler kann manchmal ein wenig wie eine Liebesbeziehung sein. Am Anfang wählt man den Meister in der Überzeugung, dass er der beste überhaupt ist. Nicht einer unter vielen, sondern der einzige Meister. Dann aber, nach zwei, drei Jahren, fragt man sich, ob man sich nicht doch geirrt haben könnte. So wie in den Augen eines über beide Ohren verknallten Jungens plötzlich auch andere Mädchen attraktiv erscheinen, glaubt man nun, dass ein besserer Meister vielleicht nur einen Steinwurf entfernt ist. Über solche Zweifel kann man natürlich mit dem Meister selbst nur schlecht sprechen. Ich hatte das Glück, dass der Meister meines Meisters in einem Tempel lebte, der eine Tagesreise von Antaiji entfernt lag. Dort konnte ich ihn am Jahresende, wenn die Mönche sich einige Tage freinehmen können, besuchen. Für mich war er so etwas wie ein Großvater, für ihn war ich ein Enkel. Deshalb war ich in der Lage, über alle meine Zweifel frei mit ihm zu sprechen. Als ich auf mein Verhältnis zu meinem Meister, der ja auch sein Schüler war, zu sprechen kam, sagte er: „Ist der Schüler ein Idiot, dann trifft er nur auf Meister, die ebenfalls Idioten sind.“

Mit dem Schüler, der ein Idiot ist, war natürlich ich gemeint. Aber hatte er nicht, als der Meister meines Meisters, Verantwortung für meinen Meister (den er indirekt einen Idioten zu nennen schien). Und hatte mein Meister nicht die Verantwortung für meine Idiotie – zumindest dann, wenn wir Dôgen folgen? Was mir der Meister meines Meisters klar machte: Das gilt auch umgekehrt. Ein Schüler sieht in seinem Meister immer nur eine Reflexion seiner selbst.

Der Buddha Shakyamuni hatte Tausende von Schülern, doch jeder einzelne von ihnen wird einen anderen Buddha gesehen haben. Jesus hatte zwölf Jünger, doch Judas wird einen anderen Jesus gekannt haben als Petrus. Ganz zu schweigen von Paulus, der dem Menschen Jesus zu dessen Lebzeiten nie begegnet ist. Für Paulus war es eine innere Begegnung mit seinem Erlöser, die zu seiner Bekehrung führte. Ist es übertrieben zu sagen, dass er in gewisser Weise Jesus als den Christus erst erfunden hat? Wie dem auch sei, für den Meister gilt: Die Schüler sind immer genau die Schüler, zu denen der Meister sie macht. Für den Schüler gilt: Der Meister ist immer genau der Meister, zu dem der Schüler ihn macht.

Mehr von Uchiyama Roshi zum Thema: "An dich, der du dich dazu entschlossen hast, zum Mönch zu werden" (https://antaiji.org/de/services/english-to-you-2-kosho-uchiyama-roshi/)